Zum Ausgang der Sondierungsgespräche
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben vor der Bundestagswahl gemeinsam für Trendwenden in der deutschen Politik gekämpft und wir waren erfolgreich. Wir wollten deutlich machen, dass ein völlig anderer Wahlausgang als 2013 auch eine veränderte Politik zur Folge haben muss. War es doch die Politik der Großen Koalition, die zu einem Erstarken der politischen Ränder geführt hat. Nach vier Wochen des intensiven Ringens um eine tragfähige Lösung, nach angebotenen Kompromissen sind wir letzte Nacht aus den Sondierungen ausgestiegen.
Wir haben mit CDU, CSU und Grünen erfolgslos um deutliche Verbesserungen im Bildungsbereich gerungen. Wir hatten die vergebliche Hoffnung, dass nach zwanzig Jahren die Zuwanderung durch ein Einwanderungsgesetz geregelt wird. Nach mehr als 100 Mrd. Euro Mehreinnahmen in den letzten Jahren wollten wir den Soli abschaffen und die Menschen nachhaltig entlasten – ohne Erfolg. Die Staatsquote wäre durch die Mütterrente, wie sie CDU und CSU fordern, und durch zahllose Subventionen weiter gestiegen. Wir mussten leider zur Kenntnis nehmen, dass unser Menschenbild vom eigenverantwortlichen und mündigen Bürger nicht geteilt wird, sondern dass man die Lösungen auch weiterhin immer zuerst beim Staat sucht. Zudem wurde ein Entgegenkommen uns gegenüber gegen Ende der Sondierungen wieder revidiert. Es wäre schließlich nur noch ein Fortsetzen der Politik der Großen Koalition mit grünen Mitteln geblieben. Hierfür lassen wir unsere Wähler nicht im Stich. Wir sind angetreten, um mit neuem Denken und mutigen Entscheidungen die Zukunftsprobleme zu lösen – sei es bei der Bildung, der Digitalisierung, der Globalisierung, dem demographischen Wandel oder der Flüchtlingsproblematik. Weil bis zuletzt keine Übereinstimmung erzielt werden konnte, sahen wir uns gezwungen, die Sondierungsgespräche abzubrechen.
Die Freien Demokraten haben am Sonntagabend mit großer Einigkeit und Standhaftigkeit eine Entscheidung getroffen, die es uns Abgeordneten am Montagmorgen leicht gemacht hat, in den Spiegel zu schauen. Selbstverständlich befinden wir uns nun in einer politischen Situation, die alle Beteiligten zu größter Umsicht und Verantwortung aufruft. Wir haben das große Glück, in Deutschland in einer der stabilsten Demokratien der Welt zu leben, und die Freien Demokraten werden daran mitarbeiten, eine tragfähige und sinnvolle Lösung zu finden.
Als Landesvorsitzender und besonders als einer der Verhandlungsführer der FDP möchte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, mich bei Ihnen für Ihre Unterstützung und Ihr Vertrauen zu bedanken. In zahlreichen Gesprächen mit hessischen Parteifreunden habe ich für mich den klaren Auftrag mit nach Berlin in die Verhandlungen genommen, geradlinig und konsequent in den Gesprächen zu bleiben. Auch von unserem Landesparteitag am Wochenende in Hofheim ging das deutliche Signal aus, dass unsere liberalen Überzeugungen der Kompass und die Grundlage für das Ringen um eine Einigung sein müssen. Und heute kann ich mit Überzeugung sagen: dieser Linie sind wir treu geblieben.
Bedanken möchten wir uns stellvertretend für den gesamten Landesvorstand darüber hinaus auch sehr herzlich für Ihr großes Engagement und Ihre Bereitschaft, sich in der FDP Hessen einzubringen. Wir tun dies auch in der Gewissheit, dass dieses Engagement auch die Grundlage für die Bewältigung etwaiger vor uns liegender Herausforderungen sein wird. Zeigen Sie weiter den Mut und die Haltung, die uns so viel Vertrauen gebracht hat. Für uns gibt es kaum eine größere Motivation als eine stark wachsende, lebendige Partei, deren Mitglieder mit vollem Elan ans Werk gehen. Wir können in den vor uns liegenden Debatten viel erreichen und weitere Glaubwürdigkeit gewinnen. Wir freuen uns auf die weitere Arbeit mit Ihnen.
Dr. Stefan Ruppert, MdB
Landesvorsitzender
Bettina Stark-Watzinger, MdB
Generalsekretärin