Interview mit fuldainfo.de: Helge Mühr zum „Klimaschutz“

fuldainfo: In der letzten Fuldaer Stadtverordnetenversammlung ist seitens der Grünen behauptet worden, dass für den Klimaschutz, vor allem für die Radwege, zu wenig getan werde. Wir haben dazu den Vorsitzenden des Ausschusses für Digitalisierung, Wirtschaft und Verkehr, Helge Mühr von der FDP-Fraktion interviewt, ob die Grünen mit ihrer Behauptung recht haben.

fuldainfo: Was sagen Sie zu dem Vorwurf der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung?

Helge Mühr: Die Äußerungen von Seiten Bündnis90/Die Grünen grenzt schon an Ignoranz. Wir haben das Fuldaer Verkehrs- und Mobilitätskonzept. Das beinhaltet den Verkehrsentwicklungsplan, den Masterplan „Green City“, den Nahverkehrsplan, das Radverkehrskonzept, das Ladesäulenkonzept, und auch das Konzept für City-Logistik. Darin ist verankert, wie wir uns die Verkehre und die Mobilität der Zukunft vorstellen. Mir ist klar, dass das Einigen hier nicht schnell genug geht, und dass man gern das ein oder andere Verkehrsmittel bevorzugen möchte. Vernünftige Politik muss aber alle Verkehrsteilnehmer im Blick haben. Wir machen Politik für alle Einwohner dieser Stadt und möchten keine Verkehrsarten bevorzugen oder benachteiligen. Uns ist bewusst, dass nicht immer alle unserer Abwägungen mitgetragen werden, aber all unsere Konzepte haben keine Spaltung, sondern immer ausgewogene Kompromisse zum Inhalt. Eine Verkehrs- und Mobilitätswende kann am Ende nur kompromissgetrieben sein. Nur so bekommen wir es hin, die Zukunft des Verkehrsraumes gemeinsam zu gestalten. Die Digitalisierung und Elektrifizierung werden in Zukunft die Verkehre und auch den ÖPNV stark verändern. Da reden wir von On-Demand-Systemen – also Bedarfsverkehr jenseits von starren Linien und Fahrplänen. Wir reden ab 2025/26 von autonomen Fahrzeugen und Kleinbussen; wir reden aber auch von Verkehrssensordaten, die von Datenplattformen analysiert werden, um den Verkehr und die Parkplatzsuche besser steuern zu können. All das macht die Stadt sauberer und leiser. Dazu müssen wir nicht alle aufs Fahrrad umsteigen. Nur eben der, der will. Menschen möchten doch immer schnellstmöglich von A nach B kommen. Möglichst wenig Zeit auf der Straße verbringen, um möglichst viel Freizeit zu haben. Ich bin kein Freund davon, dass Autofahren so zu verlangsamen, sodass das Fahrrad die schnellste Alternative ist. Und die pure Behauptung, dass jede eingesparte Tonne CO2 das Klima schützt, passt so leider auch nicht. Aber das ist meine ganz persönliche Erkenntnis.

fuldainfo: Warum nicht? Jede Tonne Ausstoß weniger, bedeutet doch eine Tonne weniger in der Luft.

Helge Mühr: Das schon, aber dass, was wir sparen, verbrennen andere auf der Welt. Denn die Fördermengen von Öl und Gas sind weltweit nicht gesunken und werden es auch nicht. Die Förderländer fördern nach wie vor gleiche Mengen. Da Europa trotz gleicher Förderung weniger abnimmt, führt dies zu günstigeren Preisen für andere Länder. Weltweit wird aber genauso viel Öl und Gas verbrannt wie vorher. Das finanziert den Aufschwung unserer Konkurrenten auf den Weltmärkten, die zu fallenden Preisen kaufen können. Und wo Öl und Gas verbrannt werden, ist fürs Klima unerheblich. Ob in Namibia, Brasilien, Indonesien oder Deutschland. Wer daran etwas ändern will, der muss schon die Welt verändern. Die Welt ist historisch betrachtet wenig begeistert, wenn die Deutschen kommen und die Welt ändern wollen. Zudem ist grüne Energie extrem flatterhaft. Zur Kompensation braucht sie konventionelle Energien. Dafür müssen auch zweimal Fixkosten bezahlt werden. Das macht die Energie teuer und frisst die vermeintlichen Vorteile grüner Energie wieder auf. Andere Industrieländer verfolgen andere Strategien.

fuldainfo: Halten Sie den Deutschen Weg für zielführend?

Helge Mühr: Wenn Sie mich persönlich fragen, so empfand ich den „German-Sonderweg“ schon in der Corona-Pandemie wenig effizient. Er hatte hohe Kosten und starke Freiheitsbeschränkungen zur Folge. Genau das sehe ich jetzt auch wieder. Man will immer mehr kontrollieren. Von ganz oben bis in den letzten Heizungskeller. Man will den Leuten genau vorschreiben, was sie wann zu tun haben. Sie trauen dem Volk nicht mehr zu, selbst richtige Entscheidungen zu treffen. Der freie Wille wird durch den permanenten Appell an das schlechte Gewissen ersetzt, für die „Klimakatastrophe“ verantwortlich zu sein. Aber das Geld, welches wir für fragwürdige Maßnahmen ausgeben, das ist weg. Das war schon zu Corona-Zeit so.

fuldainfo: Sie meinen also, der eingeschlagene Weg schadet auch der Wirtschaft?

Helge Mühr: Ja sicher, und auch der heimischen Industrie sowie dem Handel. Unsere Atmosphäre ist nun mal keine Klimaanlage, bei der man die Temperatur durch einen CO2-Regler nach oben oder unten regeln kann, um das gewünschte Klima zu erzielen. Dieser Irrglaube führt zu politischen Fehleinschätzungen. Wir sollen raus aus der Atomkraft, wir sollen raus aus der Kohle, dann werden wir auch noch von Gaslieferungen abgeschnitten; wovon sollen sich die Räder einer Industriegesellschaft denn noch drehen? Da gibt es andere Stimmen, die die Frage aufwerfen, wofür wir die Industrie hier denn noch benötigen. Die soll doch besser in die Länder abwandern, wo ausreichend erneuerbarer Strom produziert werden kann. Es reicht doch, wenn wir hier in Deutschland die Läden haben. Wieder andere argumentieren, wer für die Energiewende sei, müsse eben auch akzeptieren, dass Teile der Wirtschaft auf der Strecke bleiben oder abwandern. Diese Politik präsentiert eine „Politik der Alternativlosigkeit“. Das kann und will ich nicht akzeptieren. Meines Erachtens sollte gute Politik immer auch Alternativen bieten. Denn Menschen möchten die Wahl haben, das ist in einer Demokratie so üblich.

fuldainfo: Und welche Alternativen sind das Ihrer Meinung nach?

Helge Mühr: Man sollte vielmehr forschen. Die Grundlagenforschung für CO2-freie Energien ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Quasi Forschungsförderung anstelle Verbrennerverbot. Die Renaissance der Atomkraft in weiten Teilen der Welt wird durch neuartige Flüssig-Salz-Reaktoren hervorgerufen. Diese arbeiten mit Thorium (Th), und das gibt es zu Genüge. Mit dieser Technologie lassen sich alte Brennstäbe aufbereiten und weiter nutzen. Diese Reaktoren sind strukturell sicher, sodass es zu keiner Kernschmelze kommen kann, aber wir verweigern uns dem aus ideologischen Gründen. Meiner Meinung nach müssen wir Klimapolitik pragmatisch betreiben und Dinge machen, die auch funktionieren. Keine Symbolpolitik, die uns auch noch schadet. Ich befürworte daher, dass wir technologiegesteuerte Prozesse korrigieren. Und hierzu gehört auch, dass wir die Digitalisierung nutzen, um Abläufe effizienter zu gestalten, Elektrizität, wo es möglich und nötig ist, einsparen, Abfälle vermeiden und mehr zu recyceln. Mit anderen Worten: Dinge dort zu optimieren, wo der Nutzen hoch und die Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

fuldainfo: Wie sollte Ihrer Meinung der Diskurs in Fulda fortgesetzt werden?

Helge Mühr: Wir haben tatsächlich ein „Klimaproblem in Deutschland“. Und zwar ist das Diskussionsklima stark gestört. Und das deutlich seit den Corona-Maßnahmen. Der Umgang mit Andersdenkenden sollte in einer zivilisierten Demokratie anders ablaufen, als es seit drei Jahren hier durch Diffamierung geschieht. Aktuell arbeitet die Stadt Fulda mit einem Planungsbüro daran, im Dialog mit der heimischen Wirtschaft und der Öffentlichkeit einen neuen Klimaschutzplan auszuarbeiten. Dieser soll dann eine Strategie und konkrete Handlungsvorschläge zum Erreichen des Klimaschutzgesetzes enthalten. Das neue Fuldaer Klimaschutzkonzept sollte für die Einwohner unserer Stadt, für die Wirtschaft und den Verkehr verträglich sein. Man sollte die Wirkungen der Maßnahmen und den Nutzwert betrachten und die Kosten nicht aus den Augen verlieren. Man sollte ehrlich sein und benennen, dass es Klimaschutz nicht zum Nulltarif gibt. Man sollte die Menschen entscheiden lassen, für welche Maßnahmen sie bereit sind, mehr zu bezahlen oder Einschränkungen in Kauf nehmen zu wollen.